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So schön, doch so provokativ


Die Malerei von Mladen Kunstic

Hans-Adelbert Karweik Text in Wolfsburger Nachrichten Oktober 2003

Auf den ersten Blick könnte man sie für sehr gelungene, ansprechende und doch irgendwie besondere Designer-Stücke handeln – wie geschaffen, das Innere des Alt-Heßlinger Atelier-Cafés zu veredeln, um ein künstlerisches, modernes Ambiente zu schaffen. Denn Kunstic arbeitet ästhetisch. Formen und Farben stehen miteinander im Einklang, Verhältnismäßigkeit und Maß stimmen.
Doch, bei genauerem Hinsehen, geben die Skulpturen den Blick auf einen ganzen Kosmos frei, glänzen im Strahl Geschichte und Gegenwart, Politik und Gesellschaft, sind sie wohl geformte Infragestellungen modernen Lebens. Kunstic provoziert nicht durch abstoßende Hässlichkeit, nicht durch prowokante Erklärung von Alltagsgegenständen zur Kunst, er will inhaltlich zum Nachdenken anregen.Zum Nachdenken über eine Welt, die aus dem Wissen,der Akzeptanz und dem Lernen aus ihrer Vergangenheit Hoffnung für die Zukunft schöpfen solle.
Die Veränderungen durch Zeit und Klima, den Zustand von Natur und Landschaft hat er bereits in anderen Skulpturen thematisiert, hier nun die Vergangenheit, die in die Gegenwart hineinwirkt: Hunger in Afrika in jungen, künstlichen Staaten nach ihrer Entkolonialisierung, Gewalt und Unterdrückung in der islamischen Welt, Regierungskrisen in den demokratischen Ländern.
Er formt glänzende Federstahlbänder zu Skulpturen, spannt sie bogenförmig und schraubt sie in regelmäßigen Abständen auf unterschiedliche, farbige Holzbretter. Indem er Länge und Durchmesser der Stahlbänder verändert, erzielt der 48-jährige konkave und konvexe Formen, Einziehungen und Schwellungen,es entstehen Skulpturen wie Kindermumie oder Augen der Welt.
Ganz neu hat Kunstic erstmals seine Malerei gehängt. Es sind Bilder im Miniformat, zum Teil auch Collagen mit Übermalungen. Auch hier dominiert das Thema Hoffnung, schöpfend aus der Vergangenheit europäischer Kulturen. Eine Seite aus einem, uralten, auf dem Müll gefundenen Gesangbuch mit dem „Gloria Dei“, gedruckt in Aachen, hat er mit EDV-Symbolen überzogen. Die moderne Kommunikationstechnik verdrängt die überlieferte Drucktechnik. Neue Ansichten lösen alte Einsichten ab. Und Kunstic fragt kritisch, ob die Europäer so mit ihrer religiösen Tradition umgehen sollten: Ausgemustert hat er mehrfach darüber gestempelt.
Es geht dem 1955 in Zagreb (Kroatien) geborenen, um die Zukunft, um Freiheit und den Willen, sie zu verteidigen. Es ist eben doch provokativ, was so wohlgefällig wirkt.


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